Unternehmenskultur, die bindet
Unternehmenskultur, die bindet: Vom Leitbild zur gelebten Identität

• Was ist Unternehmenskultur?
• Die Authentizitätslücke: Wenn Leitbild und Realität auseinanderklaffen
• Warum Authentizität für die Mitarbeiterbindung entscheidend ist
• Wie Sie eine identitätsstiftende Kultur aufbauen
• Die zentrale Rolle des mittleren Managements
• Fazit: Eine Kultur, die bindet
Was ist Unternehmenskultur?
Unternehmenskultur ist mehr als die Summe aller Regeln und Prozesse. Es ist die ungeschriebene Grammatik des Unternehmens: die gemeinsamen Werte, Überzeugungen, Normen und Verhaltensweisen, die das Handeln aller prägen. Sie beeinflusst, wie Entscheidungen getroffen, wie mit Fehlern umgegangen und wie miteinander kommuniziert wird. Vereinfacht gesagt, ist sie die kollektive Persönlichkeit einer Organisation. Dieses soziale Konstrukt entsteht nicht über Nacht, sondern entwickelt sich über Jahre durch das Zusammenspiel von Führung, Mitarbeitenden und den alltäglichen Interaktionen. Sie ist das unsichtbare System, das bestimmt, wie sich die Menschen fühlen und wie sie sich verhalten – ob sie sich verbunden und zugehörig fühlen oder nicht. Sie gibt Orientierung in unsicheren Zeiten und hilft, die Komplexität des modernen Arbeitslebens zu reduzieren. Indem sie das „Wofür“ und „Wohin“ einer Organisation transparent macht, schafft sie die Grundlage für eine tiefgehende organisationale Identifikation.
Die Authentizitätslücke: Wenn Leitbild und Realität auseinanderklaffen
Viele Unternehmen investieren viel Zeit und Geld in die Ausarbeitung von Hochglanz-Leitbildern, die auf den Websites und in Büros hängen. Dort ist dann die Rede von Werten wie „Innovation“, „Offenheit“ oder „Exzellenz“. Doch was passiert, wenn diese kommunizierten Werte nicht mit dem übereinstimmen, was Mitarbeitende im Alltag erleben? Wenn „Offenheit“ gepredigt wird, aber Kritik an Führungskräften nicht erwünscht ist? Wenn „Innovation“ gefeiert wird, aber Fehler, die beim Ausprobieren neuer Ideen entstehen, bestraft werden? Genau hier entsteht eine gefährliche Authentizitätslücke. Diese Diskrepanz zwischen kommunizierter und gelebter Kultur untergräbt die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen. Mitarbeitende werden zynisch und distanzieren sich emotional vom Unternehmen, was die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung deutlich erhöht. Eine solche Diskrepanz ist besonders in schnell wachsenden Unternehmen zu beobachten, bei denen sich die Kultur oft unbewusst und fragmentiert entwickelt hat und die externen Marketingversprechen nicht mit den internen Prozessen übereinstimmen.
Warum Authentizität für die Mitarbeiterbindung entscheidend ist
Die Authentizität einer Unternehmenskultur ist entscheidend für die Bindung Ihrer Mitarbeitenden. Denn Menschen möchten an einem Ort arbeiten, der ihren eigenen Werten entspricht. Sie möchten, dass ihr authentisches Selbst – ihr preferred self – in die Arbeit einfließen kann und dass sie sich nicht verstellen müssen, um zugehörig zu sein. Wenn die Kultur im Widerspruch zu den eigenen Überzeugungen steht, fühlen sich Mitarbeitende entfremdet. Sie haben das Gefühl, in einer Rolle zu stecken, die ihnen nicht entspricht, was langfristig zu emotionaler Erschöpfung und verminderter Loyalität führt.
Demgegenüber stärkt eine authentische Kultur, die ihre Werte wirklich lebt, die organisationale Identifikation. Mitarbeitende identifizieren sich stärker mit der Mission und den Zielen des Unternehmens, da sie sie als echt und wahrhaftig empfinden. Sie empfinden den Erfolg des Unternehmens als ihren eigenen, was ihre Motivation, sich einzubringen, maßgeblich steigert. Eine starke Identifikation mit den Werten und der Mission des Unternehmens wirkt zudem als starker Bindungsfaktor, der auch dann greift, wenn es zu Unsicherheiten oder Herausforderungen kommt. Es ist das tiefe Gefühl, Teil einer größeren, sinnstiftenden Einheit zu sein.
Wie Sie eine identitätsstiftende Kultur aufbauen
Eine Kultur lässt sich nicht einfach „einführen“. Sie muss wachsen, gepflegt und von allen Ebenen des Unternehmens getragen werden. Insbesondere die Unternehmensleitung und Führungskräfte müssen die Werte vorleben und als Botschafter*innen der Kultur agieren. Ihre Glaubwürdigkeit hängt maßgeblich davon ab, ob ihre Worte mit ihren Handlungen übereinstimmen.
Folgende Schritte helfen dabei, eine identitätsstiftende Kultur zu schaffen:
- Werte überprüfen und verankern: Sind die kommunizierten Werte noch aktuell und relevant? Werden sie in den täglichen Entscheidungen und Interaktionen sichtbar? Wenn nicht, sollten Sie sie überdenken und sicherstellen, dass sie nicht nur auf dem Papier, sondern in den Köpfen und Herzen Ihrer Mitarbeitenden existieren.
- Kommunikation transparent gestalten: Schaffen Sie Kanäle für ehrliche Kommunikation, die nicht nur positive, sondern auch kritische Themen zulässt. Eine transparente Kommunikation über strategische Veränderungen, Herausforderungen und Erfolge fördert das Vertrauen und reduziert Unsicherheiten, die das Gefühl von Bindung an das Unternehmen untergraben können. Es ist entscheidend, dass Mitarbeitende verstehen, warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden, um ihren eigenen Beitrag im größeren Kontext zu verorten.
- Verantwortung übertragen: Ermöglichen Sie es Ihren Mitarbeitenden, ihre Expertise einzubringen und Verantwortung zu übernehmen. Das stärkt ihr Gefühl der Selbstwirksamkeit und signalisiert, dass ihre Meinung geschätzt wird. Die Möglichkeit, Projekte mitzugestalten und echten Einfluss zu nehmen, ist für viele motivierender als rein extrinsische Anreize.
- Fehler als Lernchancen nutzen: Eine Kultur, die eine gesunde Fehlerkultur lebt, fördert psychologische Sicherheit und somit die Bereitschaft, innovativ zu sein und Risiken einzugehen. Statt nach Schuldigen zu suchen, fragen Sie nach den Lehren, die aus einem Scheitern gezogen werden können.
- Gemeinsame Rituale schaffen: Ob es wöchentliche Check-ins, gemeinsame Mittagessen oder teamübergreifende Projekte sind – Rituale stärken das soziale Miteinander. Sie schaffen einen Rahmen für informelle Begegnungen und den Aufbau persönlicher Beziehungen.

Die zentrale Rolle des mittleren Managements
Das mittlere Management fungiert als entscheidende Schnittstelle zwischen der strategischen Führungsebene und den Teams. Es ist die Brücke, über die die Unternehmenskultur in den Alltag gelangt. Führungskräfte auf dieser Ebene übersetzen die strategischen Werte und Ziele in konkrete Handlungen und Verhaltensweisen. Wenn die Botschaft der oberen Führungsebene bei ihnen nicht ankommt oder sie nicht hinter den Werten stehen, werden diese auch nicht im Team gelebt. Ihre Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen und transparente Kommunikation zu fördern, ist entscheidend, um die Authentizitätslücke zu schließen. Sie sind oft die ersten Ansprechpartner*innen bei Unsicherheiten und Konflikten. Ihre Unterstützung und ihr Engagement sind daher unverzichtbar für eine Kultur, die bindet.
Fazit: Eine Kultur, die bindet
In einer Welt, in der sich Arbeitsmodelle und Werte schnell ändern, wird die Unternehmenskultur zum wichtigsten Anker für die Mitarbeiterbindung. Eine authentische Kultur, die das Leitbild in der Realität widerspiegelt, schafft eine tiefe, emotionale Bindung. Sie macht aus Mitarbeitenden aktive Mitgestaltende und aus einem Unternehmen eine starke Gemeinschaft. Indem Sie die gelebte Kultur ins Zentrum rücken und nicht nur die kommunizierten Werte, schaffen Sie ein Umfeld, in dem Menschen nicht nur arbeiten wollen, sondern auch bleiben. Eine gelebte Kultur ist der Schlüssel, um im Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen und eine nachhaltige, loyale Belegschaft aufzubauen.
Literaturhinweise:
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Thornton, Gail S.; Mansi, Viviane R.; Carramenha, Bruno & Cappellano, Thatiana (2019): Strategic Employee Communication: Building a Culture of Engagement. 1. Aufl. [Online]. Cham: Springer International Publishing.
Waller, Lee (2022): A Sense of Belonging at Work: A Guide to Improving Wellbeing and Performance. Abingdon Oxon: Routledge.