Was bedeutet systemisch? Definition & Beispiele

Sebastian Flack • 6. Juni 2025

Das Wort "systemisch" begegnet uns heute in vielen Bereichen: in der Beratung, im Coaching, in der Therapie, aber auch im Management, der Pädagogik und der Organisationsentwicklung. Doch was genau bedeutet "systemisch" eigentlich? Wie unterscheidet sich dieser Ansatz von anderen Sichtweisen, und warum ist er heute besonders relevant?


In diesem Beitrag beleuchten wir den Begriff "systemisch" aus verschiedenen Perspektiven, zeigen seine praktischen Anwendungsfelder auf und erklären, warum systemisches Denken in einer komplexen Welt so wertvoll ist.


Inhalt

  1. Supervision: Mehr als nur Beratung
  2. Formen der Supervision
  3. Wann ist Supervision sinnvoll?
  4. Der Ablauf einer Supervision
  5. Warum Supervision wirkt
  6. Fazit - Supervision als strategischer Erfolgsfaktor

Definition: Systemisch


Systemisches Denken betrachtet Menschen, Organisationen oder soziale Gruppen nicht isoliert, sondern als Teil eines größeren Ganzen – eines dynamischen Netzwerks aus Beziehungen, Wechselwirkungen und Kontexten. Probleme oder Veränderungen entstehen nicht isoliert, sondern immer im Zusammenspiel mit der Umwelt.


Grundlegend leitet sich der Begriff „systemisch“ vom Wort System ab – also einer Gesamtheit von Elementen, die miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Beispiele für solche Systeme sind Familien, Teams, Organisationen, aber auch die Psyche eines Menschen oder gesellschaftliche Strukturen.


Systemisch zu denken bdeutet:


  • nicht einzelne Elemente, sondern ihre Beziehungen und Muster zu betrachten,
  • Kontexte mitzudenken, in denen Verhalten auftritt,
  • Dynamiken zu verstehen, anstatt nach festen Ursachen zu suchen.


Der Unterschied zu linearem Denken wird hier besonders deutlich: Während lineares Denken nach einfachen Ursache-Wirkung-Zusammenhängen fragt („A verursacht B“), betrachtet systemisches Denken die zirkulären Wechselwirkungen: „A beeinflusst B – und B wirkt auf A zurück.“


Ein systemischer Ansatz fragt daher nicht nur: „Warum passiert das?“, sondern auch:
„In welchem Zusammenhang?“,
„Welche Funktion erfüllt dieses Verhalten im System?“
und: „Was braucht das System, um sich in eine hilfreiche Richtung zu entwickeln?“


Typische Merkmale dieses Denkens sind:


  • Beziehungsorientierung: Fokus auf Interaktionen statt auf Einzelpersonen.
  • Kontextsensitivität: Verhalten wird im jeweiligen Umfeld betrachtet.
  • Prozessfokus: Dynamiken und Entwicklungen stehen im Mittelpunkt.
  • Zirkularität statt Kausalität: Ursachen werden als wechselseitige Einflüsse verstanden.
  • Selbstorganisation: Systeme verändern sich durch eigene Impulse – nicht durch äußere Kontrolle.


Systemisches Denken ist dabei nicht nur eine Methode, sondern eine Haltung: neugierig, respektvoll, offen für Mehrdeutigkeit und geprägt von der Einsicht, dass komplexe Wirklichkeiten nicht vollständig „lösbar“, aber versteh- und gestaltbar sind.

Supervision Ziel wird definiert


Historische Wurzeln: Von der Kybernetik zur systemischen Therapie


Die Ursprünge systemischen Denkens liegen in der Kybernetik und der allgemeinen Systemtheorie. Wegweisende Impulse kamen u. a. von Gregory Bateson, Heinz von Foerster und Niklas Luhmann. In den 1970er Jahren begann die systemische Therapie, vor allem in der Familientherapie, Fuß zu fassen.


Ein weiterer bedeutender Wegbereiter der systemischen Therapie im deutschsprachigen Raum ist Wilhelm Rotthaus. Mit seiner fundierten Verknüpfung von systemtheoretischen Grundlagen und praxisnaher Anwendung prägte er das Verständnis von Beratung, Therapie und Coaching nachhaltig.


Rotthaus betont, dass psychische Symptome nicht isoliert im Individuum entstehen, sondern Ausdruck gestörter Beziehungen innerhalb sozialer Systeme sind – etwa in Familien oder Organisationen. Seine Sichtweise erweitert den therapeutischen Fokus von der Person hin zum gesamten Beziehungsgefüge.

Zentrale Elemente seiner Arbeit sind:


  • die Betonung von *Selbstorganisation** in Veränderungsprozessen,
  • das Verständnis von *Symptomen als Lösungsversuche**,
  • und der respektvolle Umgang mit der *Sinnhaftigkeit menschlichen Verhaltens** im jeweiligen Kontext.


Durch seine Veröffentlichungen und sein Engagement in der Aus- und Weiterbildung systemischer Fachkräfte hat Rotthaus wesentlich zur Etablierung systemischer Ansätze im therapeutischen und beraterischen Feld beigetragen.


Zentrale Prinzipien systemischer Arbeit


Systemisches Arbeiten beruht auf einer klaren Haltung und spezifischen methodischen Zugängen:


  • Zirkularität statt Kausalität: Ursachen werden als wechselseitige Einflüsse verstanden.
  • Ressourcenfokus: Stärken und Fähigkeiten stehen im Vordergrund.
  • Lösungsorientierung: Der Blick richtet sich auf mögliche nächste Schritte – nicht auf Schuld oder Defizite.
  • Mehrperspektivität: Unterschiedliche Sichtweisen werden aktiv einbezogen.
  • Selbstorganisation: Systeme verändern sich durch eigene Impulse – nicht durch äußere Kontrolle.


Werkzeuge wie zirkuläre Fragen, Skalierungen, Aufstellungen oder Metaphernarbeit unterstützen diese Herangehensweise.

Systemische Beratung: Impulse für neue Perspektiven

In der systemischen Beratung wird der Mensch als Teil eines sozialen Beziehungsgeflechts verstanden. Die Beraterin oder der Berater agiert nicht als "Problemlöser", sondern als Prozessbegleitung, die neue Sichtweisen und Reflexionen ermöglicht.


Typische Formate sind:

  • Einzelberatung
  • Paar- und Familienberatung
  • Supervision
  • Organisationsberatung


Dabei wird stets auch das Umfeld in den Blick genommen – z. B. familiäre Rollen, Teamstrukturen oder kulturelle Prägungen. Ziel ist es, Klient\*innen zu befähigen, eigenverantwortlich tragfähige Lösungen zu entwickeln.


Systemisches Coaching: Entwicklung im Beruf

Im Coaching unterstützt die systemische Haltung Menschen dabei, ihre berufliche Rolle im Gesamtsystem zu reflektieren. Führungskräfte und Teams erkennen eigene Muster, verstehen Dynamiken und entwickeln neue Handlungsmöglichkeiten.


Dabei kommen unter anderem zum Einsatz:

  • Auftragsklärung mit allen Beteiligten
  • Reflexion von Kommunikations- und Führungskulturen
  • Bearbeitung von Konflikten in Teams
  • Entwicklung individueller Strategien zur Selbstführung


Systemisches Coaching ist nicht defizitorientiert, sondern entwickelt aus der bestehenden Situation heraus neue Möglichkeiten. Es stärkt Eigenverantwortung und Gestaltungskraft.


Systemische Therapie: Ganzheitlich behandeln


In der systemischen Therapie – ob in der Einzel-, Paar- oder Familientherapie – steht nicht die Diagnose im Zentrum, sondern das Verstehen von Beziehungen, Kommunikationsmustern und inneren Logiken.

Symptome werden dabei nicht als "Störungen im Individuum", sondern als Signale des Systems verstanden. Therapieprozesse zielen darauf ab:


  • neue Perspektiven zu eröffnen
  • Interaktionen im sozialen Kontext zu verändern
  • die Selbstwirksamkeit von Klient\innen zu fördern


Die systemische Therapie ist heute wissenschaftlich anerkannt und in vielen psychosozialen Arbeitsfeldern etabliert.


Mensch bei der Analyse und systemischer Beratung


Fazit und Ausblick


Systemisches Denken ist mehr als ein methodischer Werkzeugkasten – es ist eine Haltung: neugierig, kontextbewusst, beziehungsorientiert. In Beratung, Coaching, Therapie und Organisationsentwicklung eröffnet es neue Räume für Reflexion, Entwicklung und Veränderung.


Wer systemisch arbeitet, begegnet Menschen mit Respekt, sieht Probleme als Hinweise auf etwas Größeres – und begleitet Veränderung mit Blick auf das Ganze.


Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie systemische Beratung in Ihrem Kontext helfen kann, nehmen Sie gerne Kontakt für ein unverbindliches Gespräch auf.


In einer Welt voller Vernetzungen und Dynamiken ist systemisches Denken kein Luxus – es ist eine Schlüsselkompetenz.


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